FAQ - Swiss Human Institute of Forensic Taphonomy (SHIFT)

PRÄSENTATION DER ABTEILUNG DIENSTLEISTUNGEN DER ABTEILUNG FORSCHUNG UND LEHRER

1. Was ist forensische Taphonomie?

 

Die forensische Taphonomie besteht in der Untersuchung und Nutzung der mit der Leichenverwesung verbundenen Prozesse zur Dokumentation und Lösung von forensischen Fällen, sowohl auf lokaler Ebene (Mord, Bergunfall, ...) als auch auf internationaler Ebene (Massen- und Klimakatastrophen und Konfliktgebiete). Beispielsweise werden diese Prozesse untersucht und genutzt, um ein postmortales Intervall (Zeitspanne zwischen dem Tod und dem Auffinden der Leiche) oder die Lokalisierung von Massengräbern (bewaffnete Konflikte) zu schätzen.

Die forensische Taphonomie ist in zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen integriert, die sich auf den eigentlichen Körper beziehen (Anthropologie, forensische Medizin und Bildgebung usw.), den Körper in Interaktion mit dem Boden, der sonst als "Verwesungsinsel" bezeichnet wird (forensische Toxikologie, Genetik, Makro- und Mikrobiologie usw.), in Verbindung mit dem Auffinden des Körpers (forensische Botanik, Geologie und Archäologie, Lokalisierungswissenschaften usw.). Die ethischen, soziokulturellen, humanitären und rechtlichen Dimensionen sind ebenfalls Teil des Prozesses, nach dem die Taphonomie ihre Forschung ausrichtet.

 

2. Wozu dient die forensische Taphonomie-Forschung?

Jüngste Ereignisse von globaler Tragweite haben den Bedarf an pragmatischer Forschung zur Verbesserung der Methoden für die Suche, Lokalisierung und Identifizierung von Opfern von naturbedingten Massenkatastrophen deutlich gemacht.

Diese Phänomene können unterschiedlicher Natur sein, z. B. bei Vulkanausbrüchen (Vulkan Ontake in Japan, 2014), Tsunamis (Sumatra in Indonesien, 2004), Erdbeben (Mexiko-Stadt in Mexiko, 2017), Überschwemmungen (Queensland in Australien, 2013) oder anthropogenen Ursachen wie Atomkatastrophen (Fukushima in Japan, 2011), Industriekatastrophen (Qitaihe in China, 2016) oder Terrorismus (New York - 11. September in den Vereinigten Staaten, 2001).

Auch die Folgen von bewaffneten Konflikten können für die forensische Taphonomie von großem Interesse sein. Denn ihre Methoden werden von Behörden und polizeilichen Ermittlungen benötigt, um vermisste Personen oder Opfer von Tötungsdelikten zu lokalisieren und/oder zu identifizieren.

Leider fehlt es in der Schweiz und in Europa noch an Möglichkeiten, entsprechende Forschungen durchzuführen.

Die Entwicklung der Taphonomie ist unerlässlich, um wissenschaftliche Studien durchzuführen, die Antworten liefern und so zur Lösung von Ermittlungen beitragen können, sei es in der Schweiz oder anderswo auf der Welt, wenn die Schweiz um Zusammenarbeit bei Interventionen und Hilfeleistungen von nahen oder fernen Staaten gebeten wird, die von Katastrophen grossen Ausmasses betroffen sind.

 

3. Ist die Taphonomie nur für die forensische Wissenschaft von Interesse?

Die forensische Taphonomie ist aufgrund ihrer operativen Seite sehr wichtig, um Todesfälle bei lokalen (Mord, Unfall, etc.) oder internationalen (Katastrophen) Ereignissen zu charakterisieren und zu dokumentieren.

Die menschliche Taphonomie geht jedoch weit über die forensischen und humanitären Wissenschaften hinaus. Sie bleibt ein wertvolles Werkzeug in der traditionellen Anthropologie und Archäologie. Sie unterhält wichtige Verbindungen zu den klinisch-medizinischen Wissenschaften, den Bio- und Umweltwissenschaften, den geologischen Wissenschaften und den Lokalisierungswissenschaften.

Die Taphonomie des Menschen steht auch an der Schnittstelle zwischen Geistes-, Religions-, Ethik- und Rechtswissenschaften, um gesellschaftliche Fragen rund um unsere Sterblichkeit zu antizipieren.

Warum verwesen Leichen auf Friedhöfen so schlecht?

Wie hoch ist die Umweltbelastung (Kontamination, Energie usw.) unserer Bestattungen (Erdbestattung, Einäscherung)?

Überlegungen rund um den verstorbenen Körper und alternative Bestattungen (Humusierung/Kompostierung, Aquamation usw.)?

 

4. Wie kann man seinen Körper der forensischen Wissenschaft zur Verfügung stellen?

Unser Körper gehört uns. Er ist Teil unserer Identität und wir verfügen über sein volles Eigentum. So können wir zu Lebzeiten entscheiden, was mit unserer fleischlichen Hülle im Rahmen einer Körperspende geschehen soll.

Seit dem Aufkommen der medizinischen Wissenschaft wurde die Körperspende immer als altruistische und uneigennützige Handlung angesehen, die es ermöglicht, wissenschaftliche Erkenntnisse voranzutreiben und künftigen Generationen zugutekommen zu lassen.

Weitere Informationen zur Körperspende finden Sie unter folgendem Link: Körperspende

 

5. Warum werden menschliche Körper verwendet?

Derzeit verwenden die meisten Wissenschaftler und die zuständigen Polizeibehörden Tiermodelle, um Verwesungsprozesse zu untersuchen. Auch wenn diese Forschungen dazu beitragen, neue Erkenntnisse zu gewinnen, liefert die Untersuchung menschlicher Körper einzigartige Erkenntnisse, die sich nicht auf andere Spezies extrapolieren lassen. Denn im Tiermodell werden viele spezifisch menschliche Parameter wie Raucherstatus, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs usw. nicht berücksichtigt.

 

6. Welche Einrichtungen für forensische Taphonomie gibt es weltweit, die mit menschlichen Körpern zu tun haben?

Es gibt derzeit 8 Einrichtungen für forensische Taphonomie mit Beteiligung menschlicher Körper in den USA (University of Tennessee, Oak Ridge National Laboratory, Southern Illinois University, Colorado Mesa University, South Florida University, Sam Houston University und San Marcos University), eine in Australien (University of Technology Sydney), eine in den Niederlanden (Amsterdam University) und eine in Kanada (Université du Québec-Trois Rivières). Das SHIFT unterhält enge und privilegierte Beziehungen zu den meisten dieser Einrichtungen.

 

7. Wie kann ich am SHIFT studieren oder ein Praktikum absolvieren?

Schweizer oder ausländische Studierende, die sich auf Taphonomie spezialisieren möchten (Ärzte, Wissenschaftler und Postgraduierte mit Interesse an diesem Gebiet), können ihre Bewerbung an folgende Adresse richten: shift@chuv.ch.

Unter Berücksichtigung der ethischen Dimensionen und der besonderen Merkmale der taphonomischen Forschung wird jede Bewerbung nach einem strengen Protokoll geprüft. Erfahrung im Bereich der forensischen Wissenschaften ist in der Regel eine zwingende Voraussetzung.

Bitte beachten Sie, dass Praktika nicht bezahlt werden.